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Staatsbürger in Uniform – Realität in Nahost

Staatsbürger in Uniform

Realität in Nahost



„Ich wünschte, es würde Nacht – oder die Preußen kämen.“
Dieser Satz wird dem Herzog von Wellington zugeschrieben, gesprochen am späten Nachmittag des 18. Juni 1815 bei Waterloo. Die Lage war kritisch, das eigene Durchhaltevermögen nahezu erschöpft – der Satz bringt die strategische Realität auf den Punkt: Ohne rechtzeitige Entlastung durch das preußische Korps wäre die Schlacht verloren gewesen.

210 Jahre später ist dieser Moment Geschichte – doch das Muster bleibt aktuell:
Wer in einer Krise nicht über eigene Durchsetzungsfähigkeit verfügt, ist auf Hilfe von außen angewiesen.

Was mich – jenseits der operativen Nachrichtenlage – beschäftigt, ist eine tiefgreifende strategische Verschiebung.

Es gehört zu den bemerkenswerteren Konstellationen der modernen Geschichte, dass jenes Volk, das ab 1941 im Operationsgebiet der Wehrmacht systematisch entrechtet, verfolgt und ausgelöscht wurde – häufig ohne jede Möglichkeit zur Gegenwehr –, heute zu den wehrhaftesten und strategisch klar denkenden Nationen der Gegenwart zählt.

Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis einer sicherheitspolitischen Kultur, die auf Bildung, Ernsthaftigkeit und realistische Bedrohungsanalyse setzt – und bereit ist, aus der Geschichte konkrete Konsequenzen zu ziehen.

Zur gleichen Zeit hat sich das ehemalige Aggressorland – das sich zweimal mit gewaltigem Aufwand und geringer strategischer Rationalität gegen weite Teile der Welt stellte – von Begriffen wie Wehrhaftigkeit, strategischer Resilienz und – ja – Kriegstüchtigkeit systematisch entfernt.

Nicht primär aus Schwäche, sondern aus historisch motivierter Vorsicht. Doch diese Vorsicht hat sich über Jahrzehnte zu einer strukturellen Abwehr alles Militärischen entwickelt – auch gegenüber der Fähigkeit, Gewalt nicht nur moralisch, sondern operativ zu denken.

Dabei hatte man es in Preußen einmal klarer gesehen.
Gerhard von Scharnhorst – General, Heeresreformer und Architekt der Befreiungskriege – formulierte eine sicherheitspolitische Maxime, die bis heute gültig ist:

„Jeder Bürger eines Staates ist der geborene Verteidiger desselben.“

Aus dieser Überzeugung entstand das Prinzip der Allgemeinen Wehrpflicht – nicht als Mittel zur Militarisierung, sondern als republikanische Verankerung von Verantwortung: ein Staatsbürger in Uniform.
Wehrfähigkeit wurde damit nicht im Militär isoliert, sondern in der Gesellschaft verankert – als kollektives Bewusstsein staatlicher Selbstbehauptung.


Was daraus heute folgt, ist offen. Aber es bleibt ein Befund:


  • Führung braucht Verteidigungsfähigkeit: Wer Verantwortung übernehmen will – innen oder außen –, muss im Ernstfall durchsetzungsfähig sein. Alles andere bleibt symbolisch.
  • Wehrhaftigkeit ist kein Spezialbereich – sondern Staatsaufgabe: Sicherheit beginnt nicht bei der Armee, sondern in der Gesellschaft. Ohne Bewusstsein für Selbstbehauptung fehlt jeder strategischen Kultur das Fundament.
  • Strategisches Denken beginnt mit Lageklarheit: Wunschbilder ersetzen keine Bedrohungsanalyse. Wer sicher leben will, muss die Welt nehmen, wie sie ist – nicht, wie man sie gern hätte.

Die Geschichte kennt keine Schonzeit.
Und keine Rücksicht auf politische Systeme, die glauben, unverteidigt bestehen zu können. 

Klio notiert – nüchtern, ohne Pathos.