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Unternehmensberater & Personalberater, Bildungsreport, Fachkräfte - IQB 2

IQB-Bildungstrends 2022

Abstract


  • The results of the IQB education trends 2022 have just been released. Although education policymakers are trying to be optimistic, there has been a clear deterioration.
  • A third of ninth grade students do not meet reading and listening minimum standards in German. Orthography a bit better. The same goes for English.
  • There are big differences between the federal states: While in Saxony “only” 23 percent of students fail to meet the minimum reading standards, in Bremen the figure is 47 percent. When it comes to listening, Saxony and Bavaria perform best. Here, 28 percent of ninth graders fail to meet the minimum standards. At the other end are North Rhine-Westphalia (41 percent), Berlin (42 percent) and Bremen again (49 percent).

  • Gerade wurden die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2022 öffentlich. Es zeigt sich eine deutliche Verschlechterung. Die Bildungspolitik versucht sich in Optimismus.
  • Ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in der 9. Klasse erfüllen im Fach Deutsch nicht die Mindeststandards beim Lesen und Zuhören. Bei der Orthografie sieht es etwas besser aus. Ebenso im Fach Englisch.
  • Dabei gibt es zwischen den Bundesländern große Unterschiede: Während in Sachsen „nur“ 23 Prozent der Schüler im Lesen die Mindeststandards verfehlen, sind es in Bremen 47 Prozent. Beim Zuhören schneiden wieder Sachsen sowie Bayern am besten ab. Hier verfehlen jeweils 28 Prozent der Neuntklässler die Mindeststandards. Am anderen Ende stehen Nordrhein-Westfalen (41 Prozent), Berlin (42 Prozent) und wieder Bremen (49 Prozent).

Die Ergebnisse


  • Wir geben nachfolgend die wichtigsten Einzelergebnisse wieder, wie sie von der Kultusministerkonferenz (KMK) zusammengefasst worden sind.
  • Im Anschluss folgen eigene, die Ergebnisse einordnende Schlussfolgerungen (s.u.).

Ergebnisse im Fach Deutsch


  • Im Fach Deutsch erreichen oder übertreffen 49 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den Mittleren Schulabschluss (MSA) anstreben, den Regelstandard im Lesen für diesen Schulabschluss. Im Zuhören sind es 53 Prozent und in Orthografie 65 Prozent. Das bedeutet gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 im Lesen einen signifikanten Rückgang um 9 Prozentpunkte, im Zuhören um 19 Prozentpunkte und in Orthografie um 12 Prozentpunkte.
  • Beim Erreichen der Mindeststandards für den Ersten Schulabschluss (ESA / früher Hauptschulabschluss) ergibt sich Folgendes: Im Fach Deutsch verfehlen etwa 15 Prozent der Neuntklässler die Mindeststandards für den ESA im Bereich Lesen, fast 18 Prozent im Bereich Zuhören und rund 8 Prozent im Bereich Orthografie. Im Lesen bedeutet das gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 einen signifikanten Anstieg von 6 Prozentpunkten, im Zuhören von 10 Prozentpunkten und in Orthografie von 4 Prozentpunkten.
  • Die Mindeststandards für den MSA werden in der Gesamtgruppe aller Neuntklässler im Fach Deutsch im Lesen von 33 Prozent der Jugendlichen nicht erreicht. Im Zuhören sind es 34 Prozent, in Orthografie sind es 22 Prozent. Im Lesen ergibt sich damit gegenüber 2015 ein signifikanter Anstieg von 9 Prozentpunkten, im Zuhören von 16 Prozentpunkten und in Orthografie wiederum von 9 Prozentpunkten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Schüler in der neunten Klasse mehr als ein Jahr vor dem MSA-Abschluss getestet wurden und insofern diese Leistungen zum Testzeitpunkt auch noch nicht erbringen konnten.
  • Setzt man die Kompetenzwerte des Vergleichsjahres 2015 jeweils auf einen Mittelwert von 500 Punkten, verlieren die Neuntklässler im Jahr 2022 gegenüber 2015 bundesweit betrachtet im Fach Deutsch im Lesen im Schnitt 25 Kompetenzpunkte, im Zuhören 44 Punkte und in Orthografie 31 Punkte. [Anmerkung: 40 bis 50 Kompetenzpunkte entsprechen in etwa einem Schuljahr! - Wr]
  • Die Ergebnisse im Fach Deutsch variieren zwischen den Ländern teilweise erheblich. So liegt beispielsweise der Anteil der Neuntklässler, die im Fach Deutsch im Lesen den Mindeststandard für den ESA verfehlen, je nach Land bei 8 bis 24 Prozent. 

Ergebnisse im Fach Englisch


  • Im Fach Englisch erreichen oder übertreffen 60 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den MSA anstreben, die Regelstandards im Bereich Leseverstehen. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015. Beim Hörverstehen sind es sogar 63 Prozent der genannten Gruppe und damit 10 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015.
  • In der Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler bleiben im Leseverstehen knapp 9 Prozent der Jugendlichen unter dem Mindeststandard für den ESA (1 Prozentpunkt mehr als 2015). Nicht einmal 2 Prozent verfehlen den Mindeststandard für den ESA im Hörverstehen (unverändert gegenüber 2015).
  • In Englisch erreichen beim Leseverstehen 24 Prozent aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler noch nicht den Mindeststandard für den MSA. Beim Hörverstehen sind es 14 Prozent der Jugendlichen. Das ist ein Rückgang von jeweils 3 Prozentpunkten gegenüber 2015.
  • Betrachtet man die Kompetenzmittelwerte in Englisch, konnten bundesweit im Mittel 22 Kompetenzpunkte im Leseverstehen und 23 Punkte im Hörverstehen dazugewonnen werden. Dies sind statistisch signifikante und deutliche Kompetenzsteigerungen im Fach Englisch. 

Soziale Disparitäten


  • Die Kopplung zwischen sozialer Herkunft und erreichtem Kompetenzniveau hat sich weiter verstärkt.
  • Von den Kompetenzrückgängen im Fach Deutsch sind besonders Jugendliche aus sozioökonomisch weniger gut gestellten und bildungsferneren Familien betroffen. Während sich die Kompetenzwerte von Schülerinnen und Schülern, in deren Haushalt es weniger als 100 Bücher gibt, in Deutsch im Lesen in allen Bundesländern erheblich verschlechtert haben, sind die Kompetenzwerte von Heranwachsenden aus Haushalten mit mehr als 100 Büchern in den meisten Ländern nur leicht gesunken.
  • Der positive Trend zwischen 2015 und 2022 in den erreichten Kompetenzen im Fach Englisch ist in der Gruppe der Jugendlichen aus bildungsferneren Familien deutlich geringer ausgeprägt.

Zuwanderungsbezogene Disparitäten


  • Im Jahr 2022 weisen insgesamt 38 Prozent der Neuntklässler in Deutschland einen Zuwanderungshintergrund auf, wobei dieser Anteil deutlich zwischen den einzelnen Ländern schwankt (von rund 12 Prozent bis über 57 Prozent). Das ist ein Plus von 9 Prozentpunkten gegenüber 2015 und ein Plus von 11 Prozentpunkten gegenüber 2009. [Anmerkung: Der Migrantenanteil hat sich also vor allem nach 2015 massiv erhöht. - Wr]
  • Der Anteil der Familien, in denen nie oder selten Deutsch gesprochen wird, ist deutlich gestiegen: auf 32 Prozent im Jahr 2022. Diese Entwicklung hat sich stark beschleunigt; während der Anteil zwischen 2009 und 2015 nur um einen Prozentpunkt gewachsen war, nahm er zwischen 2015 und 2022 um 11 Prozentpunkte zu. Jugendliche, die in ihren Familien nur manchmal oder nie Deutsch sprechen, zeigen im Schnitt ein geringeres Kompetenzniveau im Lesen und Zuhören als Jugendliche, die in ihren Familien immer Deutsch sprechen.
  • Sowohl im Fach Deutsch als auch im Fach Englisch zeigen sich für Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund signifikante Rückstände. Diese fallen im Fach Deutsch am stärksten aus. Die Ausprägung dieses Negativtrends unterscheidet sich zwischen den einzelnen Ländern erheblich.
  • Insbesondere unter den selbst zugewanderten Jugendlichen (erste Generation) sind die Kompetenzstände im Fach Deutsch gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 deutlich zurückgegangen (minus 46 Kompetenzpunkte im Lesen, minus 62 Punkte im Zuhören, minus 53 Punkte in Orthografie). 

Ein eigenes Fazit


  • Wir fallen in Sachen Bildung, wenn je nach Bundesland fast ein Viertel, ca. ein Drittel oder fast die Hälfte der Neuntklässler nur eingeschränkt lesen kann, in großen Teilen der Bevölkerung hinter das bürgerliche Zeitalter der Aufklärung - in die Zeiten von Luther und Gutenberg - zurück. Die Verankerung der Lese- und Schreibfähigkeit, der allgemeine Ausgang aus der Illiteralität, der Übergang von der eingeschränkten Alphabetisierung zur Massenalphabetisierung dauerte in Deutschland ungefähr 300 Jahre, von 1500 - 1800. Ende des 19. Jahrhunderts betrug die Analphabetenquote im Deutschen Reich nur noch etwa ein Prozent.
  • Ohne Lesen aber kein Textverständnis. Ohne Textverständnis kein hypothetisch-logisches Denken, kein begründetes Abwägen von Alternativen, keine Suche nach der besten Lösung, sondern bildlich-anschauliche oder konkret gegenständliche Aneignung von Wissen, einfache Reproduktion, keine (digitale) berufliche Bildung, sondern Zunahme der ökonomischen Inaktivität, keine adäquate demokratische Teilhabe.
  • Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Erwachsene Menschen sollten jedoch nicht nur einen aktiven Wortschatz von ca. 12.000 bis 16.000, sondern auch einen passiven Wortschatz von rund 50.000 Wörtern beherrschen. Der Sinn von etwas Geschriebenem kann damit jederzeit alltagstauglich erfasst und umgesetzt werden. 
  • Es gilt daher der o.g. Schülergeneration die individuelle Nachreifung zu ermöglichen, indem sowohl die Duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule gestärkt als auch mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer eingeführt wird (Schwedisches Modell/ Verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger und Schulabgängerinnen).
  • Ausbildungsziel: Der beruflich gut ausgebildete und mündige Staatsbürger, der als Schüler lesen, schreiben und rechnen gelernt hat (und auch nur dann - mit sogenannten Kopfnoten in Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung - in eine höhere Klassenstufe versetzt wird und/oder einen Schulabschluss erwirbt): „Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen“ (Wilhelm v. Humboldt, Bildungsreformer, er initiierte die Neuorganisation des deutschen Schul-, Berufsschul- und Hochschulwesens im Sinne des nach ihm benannten bürgerlichen Bildungsideals, s.o).
  • Anderenfalls stellen die o.g. Schüler, die nicht nicht kommunizieren, sondern primär mit Bildschnipseln und sehr sprachökonomisch, nennen wir sie deshalb die TikTok-Generation, allenfalls den demografischen Unterbau, den Handlanger oder Knecht der global aufziehenden, vermutlich technofeudalen Zeitenwende (Stichworte: Social Media, oligarchische Netzwerke, KI).
  • Zugleich geben sowohl die woken Antagonisten des christlich geprägten Abendlands, mithin die Eschatologen der sogenannten "Letzten Generation", als auch die morgenländlich geprägten TikTok-Salafisten Berlin-Neuköllns (anderenorts die Taliban [arab./ pers. die Schüler], der IS, die Hamas, ein weltweites Netzwerk von ca. 80 islamischen Organisationen) den Ikonoklasten des neuen ikonografischen Zeitalters.
  • Es gilt insofern, was dem bürgerlichen Zeitalter glückte, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die Zeitgenossenschaft von sozialen und migrantischen Disparitäten, des Nebeneinanders von Ungleichem, von Herr und Knecht, Exzellenz und Bildungsferne, von Fachmensch ohne Geist und Gutmensch ohne Geist, von Straßen-Mob und Hochkultur, von autonomen Individuum und Weltbürger produktiv aufzuheben.
  • Es geht um bürgerliche Leitkultur.
  • Es gilt das Eigene zu achten.
  • Es geht um Eigenverantwortung.
  • Es gilt, dass Leistung sich lohnen muss.
  • Auch wenn es viele Menschen nicht hören wollen: Die nächsten Jahre werden aller Voraussicht nach unruhig sein.