· 

Der KI-Revolutionszyklus: Dritter Akt

Die Marktbereinigung

Nvidia, OpenAI, CoreWeave – und nun Alibaba


KI-Revolutionszyklus Akt 3 | Dr. Wrede & Partner

Die KI-Ökonomie durchläuft nunmehr eine Marktbereinigung, die Geschwindigkeit, Kapital und geopolitische Interessen bündelt. Im Zentrum steht Nvidia. Das Unternehmen nutzt nicht nur seine technologische Überlegenheit, sondern auch eine Finanzierungsarchitektur, die Nachfrage erzeugt und Abhängigkeiten verfestigt.


Nvidia finanziert seine eigene Nachfrage


Das sichtbarste Beispiel ist die Allianz mit OpenAI. Nvidia will bis zu 100 Milliarden US-Dollar investieren. Für jeweils 10 Milliarden Dollar, die an OpenAI fließen, entstehen Aufträge für Nvidia-Chips im Wert von rund 35 Milliarden Dollar. OpenAI hat sofort reagiert: Der Bau von fünf gigantischen Rechenzentren im Wert von mindestens einer Billion Dollar wurde begonnen, ausgestattet mit Nvidia-GB200-Clustern. Nvidia ist damit Geldgeber und Profiteur zugleich.

Auch die Neo-Clouds spielen eine zentrale Rolle. CoreWeave, Spezialist für GPU-Infrastruktur, hat sich zur verlängerten Werkbank von Nvidia entwickelt. Mit einer Kapazitätsgarantie über 6,3 Milliarden US-Dollar sichert Nvidia nicht nur den Absatz seiner Hardware, sondern auch die Finanzstabilität des Partners. Kunden wie Microsoft mieten dort Rechenzeit – und damit indirekt Nvidia-Leistung. 

Andere Hyperscaler wie Oracle und Meta sind gezwungen mitzuziehen. Neue Rechenzentren, wiederum mit Nvidia-Hardware, sind die Bedingung für Wettbewerbsfähigkeit. Wer sich dem Nvidia-Ökosystem entzieht, droht ins Abseits zu geraten.


Finanzierungsarchitektur als Waffe


Nvidia perfektioniert eine Strategie, die weit über klassische Lieferantenbeziehungen hinausgeht. Kapitalbeteiligungen, Abnahmegarantien und Kreditlinien machen Kunden zu Abhängigen. Das ist Marktbereinigung durch Finanzierung. Wer nicht selbst Milliarden in Chipentwicklung investieren kann, wird Teil des Nvidia-Netzes. 

Auch Modellanbieter sind betroffen. Microsoft versucht, seine Abhängigkeit zu reduzieren, indem es neben OpenAI auch Anthropic integriert. Amazon und Google haben sich mit Milliardenbeträgen an Anthropic beteiligt. Doch ohne Nvidia-Chips bleiben alle Modelle skaliert wirkungslos.


Regulatorischer Balanceakt


Die US-FTC untersucht exklusive KI-Deals, die EU und das Vereinigte Königreich beobachten die enge Bindung zwischen Microsoft und OpenAI. Doch ernsthafte Eingriffe fehlen bislang. Unter einem Präsidenten Donald Trump ist nicht zu erwarten, dass Kartellmaßnahmen den Ausbau der KI-Infrastruktur bremsen werden. Investitionen gelten als Schlüssel zur Stärkung der US-Wirtschaft. 

Die Regulierungsfrage hat sich zudem verschoben: Es geht weniger um Hardwaremonopole, sondern um Standards, API-Zugänge und Plattformkontrolle. Damit rücken technische Details in den Mittelpunkt, die für klassische Wettbewerbshüter schwer fassbar sind.


Die Alibaba-Connection


Eine neue Dimension eröffnet die Allianz mit Alibaba. Der chinesische Technologiekonzern integriert Nvidias „Physical AI“-Tool-Suite in seine PAI-Plattform. Entwickler können dort Simulationen, Robotik, synthetische Daten und 3D-Umgebungen mit Nvidia-Stacks nutzen.

Das geschieht trotz restriktiver US-Exportverbote für High-End-Chips und Pekings Schutzpolitik für heimische Anbieter wie Cambricon oder Biren. Alibaba weicht über Software- und Tool-Kooperationen aus. Parallel baut das Unternehmen Rechenzentren in Brasilien, Frankreich und den Niederlanden – Standorte, an denen Nvidia-Hardware ohne politische Restriktionen genutzt werden kann. 

So bleibt Nvidia indirekt im chinesischen Markt präsent. Über Tools und Schnittstellen entsteht eine weiche Abhängigkeit: Entwickler gewöhnen sich an Nvidia-Standards, unabhängig vom zugrundeliegenden Chip. Alibaba wird damit zur Brücke zwischen US-Technologie und chinesischem Ökosystem – eine geopolitisch heikle Position.


Thesen: Marktbereinigung im KI-Zyklus


  • Kapital entscheidet. Nur Akteure mit Milliardeninvestitionen in Compute-Infrastruktur, Energie und Lieferketten überleben. Mittelgroße Anbieter müssen sich andocken oder verschwinden.

  • Vertikale Integration schlägt Spezialisierung. Wer Chips, Frameworks, Modelle und Cloud bündelt, setzt Standards und senkt Kosten. Reine Nischenanbieter verlieren.

  • Finanzierung ist die neue Waffe. Abnahmegarantien, Kreditlinien und Beteiligungen erzeugen Abhängigkeiten und sichern Marktanteile. CoreWeave und OpenAI sind die Blaupausen.


Schlussfolgerungen


Für Anleger bedeutet diese Entwicklung hohe Sichtbarkeit der Nachfrage nach Nvidia-Stacks. Der Konzern bindet Partner, sichert Absatz und setzt Standards. Gleichzeitig wachsen die Klumpenrisiken: Abhängigkeit von wenigen Großkunden, politische Unsicherheiten im China-Geschäft und regulatorische Risiken in den USA und Europa.

Für die Politik bedeutet sie ein Dilemma: Nvidia beschleunigt die KI-Ökonomie, doch die Machtkonzentration gefährdet Wettbewerb und Innovationsvielfalt. Zugleich eskalieren die geopolitischen Spannungen – US-Exportkontrollen, Pekings Technologieförderung und Alibabas Brückenfunktion machen deutlich, dass die KI-Marktbereinigung längst Teil der globalen Systemkonkurrenz geworden ist.  

Kurz gesagt: Nvidia gestaltet die KI-Ökonomie nicht nur mit seinen Chips, sondern mit Kapital, Kapazitätsarchitektur und Plattformbindung. Das ist Marktbereinigung per Design – eine Entwicklung, die Anleger begeistert und Regulatoren wie Geopolitiker gleichermaßen herausfordert.