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US-EU-Handelsdeal 2025

US-EU-Handelsdeal 2025

Die Konsequenzen für die deutsche Industrie


US-EU-Handelsdeal 2025 | Dr. Wrede & Partner

Am Anfang der europäischen Geschichte steht die Entführung einer phönizischen Königstochter durch Zeus in Gestalt eines Stiers. Was als Mythos begann, kehrt heute als Geopolitik zurück. Die Logik bleibt dieselbe: Täuschung, Bindung und Missbrauch.


1 | Hintergrund & Verhandlungsverlauf


Am 27. Juli 2025 trafen Ursula von der Leyen und Donald Trump im schottischen Turnberry zu einem kurzfristig anberaumten Krisengespräch zusammen. Vorausgegangen war die Drohung Washingtons, sämtliche EU-Importe mit pauschalen Zöllen in Höhe von 30 Prozent zu belegen.

Das Ergebnis: ein sogenannter Rahmen-Deal. Die Eskalation endet nicht, sie wird zur neuen Normalität. Künftig erhebt Washington 15 Prozent auf nahezu alle europäischen Industriegüter. Das markiert eine deutliche Abkehr von den liberalisierten Handelsbedingungen der vergangenen Jahrzehnte, in denen transatlantische Zölle faktisch abgeschafft waren.

Was in Brüssel als diplomatischer Erfolg verkauft wird, ist in Wirklichkeit die Rückkehr des Zolls als geopolitisches Steuerungsinstrument. Europa akzeptiert die Bedingungen, übernimmt Importverpflichtungen für amerikanisches LNG und kündigt zusätzliche Investitionen in den Vereinigten Staaten an.

Ein schwarzer Tag für einen Kontinent, der wirtschaftlich an Substanz verliert und politisch keine eigenen Bedingungen mehr setzt.


2 | Zentrale Verpflichtungen des Abkommens


Themenblock

 

Detailregelung

Basiszoll

Einheitlicher US-Einfuhrzoll von 15 % auf nahezu alle EU-Waren – darunter Pkw (vorher 27,5 %), Halbleiter, Pharmazeutika.

Ausnahmen („zero‑for‑zero“-Liste)

Zölle bleiben bei 0 % für Flugzeuge & Teile, bestimmte Chemikalien, Generika, Halbleiter-Equipment, ausgesuchte Agrar- und Rohstoffe.

Stahl & Aluminium

US-Strafzoll von 50 % bleibt vorerst bestehen; soll „mittelfristig“ durch Quoten ersetzt werden.

Offene 232-Untersuchungen

Holz und Kupfer sind noch Gegenstand laufender US-Section‑232‑Prüfungen; Tarifniveau unklar.

Noch ungeklärt

Zolltarife für Wein, Spirituosen; technische Normen für Fahrzeuge und Landwirtschaft.

EU-Kaufverpflichtungen

Gesamtpaket von 750 Mrd. $ in drei Jahren für Öl, LNG, Kernbrennstoff, Chips; davon 250 Mrd. $ pro Jahr allein für LNG.

Investitionszusagen

Europäische Unternehmen planen 600 Mrd. $ an Projekten in den USA während Trumps Amtszeit.

Sanktionsklausel

Der US-Präsident behält sich vor, Zölle einseitig anzuheben, falls EU-Zusagen nicht erfüllt werden.


3 | Geltungsbereich & wirtschaftliche Größenordnung


Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 70 Prozent aller europäischen Ausfuhren in die USA vom neuen 15-Prozent-Zoll betroffen. In Washington rechnet das Finanzministerium mit jährlichen Zusatzeinnahmen in Höhe von 90 Milliarden US-Dollar. In der Realwirtschaft dürfte die Belastung deutlich höher liegen, da neben direkten Kosten auch indirekte Effekte durch Verlagerung, Lagerhaltung und Compliance entstehen.


4 | Reaktionen in Politik, Wirtschaft & Märkten


Stimme

 

Bewertung

Ursula von der Leyen

„Das Bestmögliche, was unter dem Druck erreichbar war.“

Bundeskanzler Friedrich Merz

Lob für die Vermeidung eines Handelskriegs, mahnt aber weitere Zollsenkungen an.

BDI (Wolfgang Niedermark)

„Schon 15 % treffen exportorientierte Industrie massiv.“

VCI (Chemieverband)

„Preis ist hoch – Wettbewerbsfähigkeit leidet.“

Franz. Premier François Bayrou

Nennt den Tag einen „dunklen Tag“ für Europa.

Finanzmärkte

Europas STOXX 600 erreicht Vier‑Monats‑Hoch; LNG‑Aktien wie Cheniere steigen um bis zu 9 %.


5 | Implikationen für den deutschen Mittelstand


Margendruck: Bei typischen EBIT‑Margen von 3–7 % frisst der 15 %-Zoll große Teile der Profitabilität von Autozulieferern, Spezialmaschinen‑ und Chemie‑KMU.

Verlagerungszwang: Anders als Großkonzerne können Familienunternehmen Produktionsverlagerungen in die USA nur begrenzt stemmen; Joint‑Ventures oder Final-Assembly‑Prozesse werden dennoch zum Hauptinstrument, um Zölle zu umgehen.

Energiepreise: Die LNG‑Bindung hält Gaspreise in Europa strukturell höher – ein Nachteil für energieintensive Betriebe. 

Rechts- und Planungsunsicherheit: Offene Stahlquoten, Spirituosen‑Tarife und mögliche Section‑232‑Entscheidungen zu Kupfer/Holz erschweren Investitionsentscheidungen.


6 | Noch offene Baustellen


·       Konkrete KN‑Codes für die Null‑Tarif‑Liste sollen bis Oktober 2025 festgelegt werden.

·       Quoten‑Mechanismus – Brüssel drängt auf automatische Anpassung der Stahlquoten an EU‑Nachfrage, Washington auf feste Tonnagen.

·       Nachverhandlungen 2026 – Gemäß Kapitel 9 erfolgt eine obligatorische Überprüfung; Trump kann bis dahin per Executive Order Zölle erhöhen, falls die EU Einkaufs- und Investitionsziele verfehlt.


7 | Ausblick & Handlungsfelder


Ebene

 

Prioritäten (2025/26)

Unternehmen

Kostencheck aller US-Aufträge; Near‑shoring nach Mexiko/Kanada prüfen; Nutzung zollfreier Nischen (z. B. Flugzeugteile, Halbleiter‑Equipment); Rohstoff- und Energiehedging.

Verbände

Koordinierte Lobby‑Offensive für EU-Ausgleichsinstrumente, WTO‑Klage vorbereiten, DRIP-Daten zur Zollwirkung sammeln.

Politik

Beschleunigte Strom- und LNG‑Netzausbauten + Entlastungen für KMU; F&E‑Superabschreibungen für US‑Investitionen; Task‑Force „Tarifberatung Mittelstand“.


8 | Fazit


Der Abschluss bringt kurzfristige Rechtssicherheit, aber auf Kosten einer strukturellen Verschiebung. Der US-Zoll wird zum festen Instrument, die EU liefert Energie- und Rüstungszusagen, die Gegenseite behält Eskalationsspielräume. Für den deutschen Mittelstand bedeutet das: die Geschäftsmodelle müssen robuster, die Absatzmärkte breiter, die Standortpolitik grundlegend neu gedacht werden.