One Big Beautiful Bill
Die Trump-Agenda in Reinform

Die Logik hinter der OBBBA
Ideelle Leitlinien und politische Stoßrichtung
Am 4. Juli 2025, symbolträchtig zum amerikanischen Unabhängigkeitstag, unterzeichnete Präsident Donald J. Trump die „One Big Beautiful Bill“ (OBBBA) – eines der umfassendsten finanz- und ordnungspolitischen Reformpakete seiner Amtszeit. Das Gesetzesvorhaben bündelt Maßnahmen in den Bereichen Steuerrecht, Sozialstaat, Energie- und Haushaltspolitik und setzt auf eine politische Leitidee, in der staatliche Fürsorge an ökonomische Eigenverantwortung gebunden ist.
Die Reformbausteine im Überblick
Von Steuerentlastung bis Grenzschutz
1. Steuerpolitik
- Körperschaftsteuer gesenkt: Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 35 % auf 21 %, mit Auswirkungen auf latente Steuern und mögliche Untergrenze nach deutschem AStG.
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BEAT eingeführt: Neue Mindeststeuer zur Verhinderung von Gewinnverlagerungen durch Zahlungen an ausländische nahe Angehörige (Base Erosion and Anti-Abuse Tax).
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GILTI eingeführt: Einführung einer US-Hinzurechnungsbesteuerung für niedrig besteuerte immaterielle Auslandserträge (Global Intangible Low-Taxed Income).
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FDII eingeführt: Steuerbegünstigung für aus dem Ausland stammende immaterielle Einkünfte von US-Gesellschaften zur Förderung von Exporten und IP-Standort USA.
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Zinsschranke geändert: Abzugsfähigkeit von Nettozinsaufwendungen auf 30 % des ATI begrenzt, ab 2022 auf EBIT-Basis.
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Anti-Hybrid-Regeln eingeführt: Kein Abzug von Zins- und Lizenzzahlungen bei fehlender Besteuerung oder doppeltem Betriebsausgabenabzug im Ausland.
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Verlustnutzung eingeschränkt: Verlustvorträge nur noch zu 80 % nutzbar, keine Rückträge mehr, aber unbegrenzter Vortrag für neue Verluste.
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Dividendenbesteuerung geändert: Einmalige Besteuerung nicht ausgeschütteter Auslandsgewinne („transition tax“) sowie 100%ige Freistellung bestimmter Auslandsdividenden.
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Sofortabschreibung möglich: Einführung eines Wahlrechts zur vollständigen Sofortabschreibung für bestimmte Investitionen bis 2022 (mit jährlich sinkendem Prozentsatz bis 2026).
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AMT abgeschafft: Abschaffung der Alternative Minimum Tax für Unternehmen, die seit 1969 galt.
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Dauerhafte Verlängerung der Einkommenssteuersätze aus dem Tax Cuts and Jobs Act (TCJA, 2017)
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Steuerliche Absetzbarkeit (bis 2028) für Überstunden, Trinkgelder und Autokredite beim Kauf inländischer Fahrzeuge
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Erhöhung des Child Tax Credit (Verdoppelung des Kinderfreibetrages) sowie zusätzlicher Freibetrag für einkommensschwache Senioren
2. Sozialstaat
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Einführung von Arbeitspflichten für arbeitsfähige Empfänger von Medicaid
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Verschärfte Bedürftigkeitsprüfungen bei staatlich geförderten Leistungen
3. Bildung und Studienfinanzierung
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Abschaffung staatlich subventionierter Studienkredite
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Einführung eines einkommensabhängigen Rückzahlungsmodells mit längerer Laufzeit
4. Energie- und Klimapolitik
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Rücknahme zentraler Fördermaßnahmen des Inflation Reduction Act
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Streichung steuerlicher Vorteile für Solarenergie, Elektromobilität und grünen Wasserstoff
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Förderung fossiler Energieträger und Stärkung nationaler Produktionsketten
5. Grenzschutz und fiskalische Ordnung
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Finanzierung neuer physischer Grenzanlagen
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Aufbau von 10.000 zusätzlichen Vollzugsbeamten bei der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE)
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Einführung einer 1-%-Transaktionssteuer auf Auslandsüberweisungen
Wirkungskreise
Gewinner – aus Sicht der Trump-Regierung
Arbeitnehmer im unteren und mittleren Einkommenssegment
Die „Freedom Deduction“ ermöglicht steuerfreie Entlastungen bei Überstunden, Trinkgeldern und zweckgebundenen Krediten – vor allem in Dienstleistungsberufen wie Gastronomie, Handwerk und Pflege.
Familien und Senioren mit begrenztem Einkommen
Die Verdopplung des Child Tax Credit und neue Freibeträge für Rentner sollen gezielt jene Gruppen entlasten, die als wirtschaftlich verletzlich und politisch relevant gelten.
Kleine und mittlere Unternehmen
Die Verlängerung der TCJA-Regelungen sowie der angekündigte Abbau regulatorischer Auflagen stärken die Planbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit des unternehmerischen Mittelstands.
Energie- und Grundstoffindustrie
Durch den Rückbau klimapolitischer Vorgaben entstehen neue Investitionsanreize für traditionelle Branchen wie Öl, Gas, Raffinerien und Stahl – mit dem Ziel, nationale Kapazitäten zu sichern.
Verlierer – aus Sicht der Trump-Regierung
Empfänger nicht konditionierter Sozialleistungen
Zukünftig sollen Hilfszahlungen stärker an Arbeitsfähigkeit und Eigenverantwortung gebunden werden. Ziel ist es, dauerhafte Transfers auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Staatlich geförderte Clean-Tech-Branchen
Mit dem Abbau von Subventionen entfällt ein zentraler Marktvorteil. Die Regierung setzt auf Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation, nicht durch staatliche Förderung.
Studierende ohne klaren Berufsbezug
Die Einschränkung pauschaler Studienkredite und die Verlängerung der Rückzahlungsfristen sollen Studiengänge ohne berufliche Perspektive unattraktiver machen.
Bundesstaaten mit expansiver Sozial- und Ausgabenpolitik
Demokratisch geführte, hochverschuldete Bundesstaaten geraten durch den Rückgang föderaler Mittel unter Anpassungsdruck. Die Verantwortung für Haushaltskonsolidierung wird an die Einzelstaaten zurückverlagert.
Strategisches Zielbild der OBBBA
Konservative Neujustierung des Gesellschaftsvertrags
Die Trump-Regierung verfolgt mit der „One Big Beautiful Bill“ eine fiskal- und ordnungspolitische Kurskorrektur, die auf vier Grundpfeilern basiert:
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Belohnung von Arbeit und Leistungswillen
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Reduktion staatlicher Intervention
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Rückverlagerung von Verantwortung an Individuen und Bundesstaaten
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Schutz nationaler Interessen – ökonomisch wie sicherheitspolitisch
Aus strategischer Sicht kann die OBBBA als Versuch verstanden werden, einen neuen Gesellschaftsvertrag zu formulieren – unter der Prämisse: Staatliche Fürsorge bleibt möglich, aber nicht mehr bedingungslos.
Einordnung und Ausblick
Ein Paradigmenwechsel
Die fiskalischen Auswirkungen der „One Big Beautiful Bill“ sind erheblich:
- Nach Berechnungen des Congressional Budget Office erhöhen sich die Defizite bis 2034 um rund 3,3 Billionen US-Dollar.
- Dem gegenüber steht eine gezielt ausgerichtete Entlastung wirtschaftlich aktiver Bevölkerungsgruppen.
- Kritiker befürchten eine Verschärfung sozialer Disparitäten; Befürworter sprechen von einem notwendigen ordnungspolitischen Kurswechsel.
Für politische Entscheidungsträger, Führungskräfte und wirtschaftspolitische Akteure markiert die OBBBA einen tiefgreifenden Richtungsentscheid – mit weitreichenden Folgen für staatliche Kernaufgaben, fiskalische Steuerung und gesellschaftliche Grundsicherungen.
Fazit
Die „One Big Beautiful Bill“ stellt eine angebotsseitig ausgerichtete Reformagenda dar, die auf wachstumsfördernde Anreize, die Begrenzung staatlicher Ausgabenquoten und die fiskalische Entlastung leistungsrelevanter Akteure zielt. Im Mittelpunkt stehen Deregulierung, Steuervereinfachung und die Rückführung transferbasierter Staatsaktivität – mit dem Ziel, marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen zu stärken.
Zugleich dient die Reform der nationalen Standortsicherung im globalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber der chinesischen Volkswirtschaft.
In ihrer Systematik spiegelt die OBBBA zentrale Elemente einer klassisch liberalen Wirtschaftspolitik wider – mit potenziellen Effekten auf Investitionstätigkeit, Arbeitsangebotselastizität und die mittel- bis langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.