Effizienz ohne Urteil ist Automatisierung des Irrtums
Betrachtungen zur digitalen Vernunft – Beitrag 6

Über KI, Komplexität und die Grenzen von Skalierbarkeit
In einer Welt voller Daten, Modelle und automatisierter Systeme gilt Effizienz als Leitbegriff. Prozesse sollen schneller, günstiger, skalierbarer werden. Doch Effizienz ist kein Wert an sich, denn sie ist nur so klug wie das, was sie beschleunigt. Wer Systeme skaliert, ohne zu fragen, was sie tun, vervielfacht nicht de Nutzen, sondern die Fehler.
Algorithmen sind Werkzeuge. Sie erkennen Muster, gewichten Wahrscheinlichkeiten, liefern Output. Doch sie verstehen nicht, was sie tun. Sie urteilen nicht – sie rechnen. Wird diese Rechenlogik zum Maßstab für Entscheidungen, ersetzen wir unser Urteil durch eine Statistik, den Kontext durch eine Korrelation.
Gerade in komplexen Systemen – Medizin, Justiz, Verwaltung – wäre das fatal. Dort zählen nicht nur Trefferquoten, sondern Ermessensspielräume, Ausnahmen, menschliche Erfahrung. Effizienzmodelle funktionieren am besten dort, wo die Welt simpel ist. Nur ist sie das selten.
Die Vorstellung, man könne Fehlbarkeit durch Automatisierung beheben, ist ein technokratischer Trugschluss. Systeme, die nicht hinterfragt werden, weil sie „funktionieren“, verlernen das Lernen. Sie optimieren entlang von Fehlern, die niemand mehr erkennt, weil sie systematisch geworden sind.
Urteilen heißt, sich zur Abweichung zu verhalten. Es heißt, Maß zu nehmen, Kontext zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen. Kein System tut das. Es tut, was es kann – nicht, was es soll.
Bilanz:
Effizienz ohne Urteil ist Automatisierung des Irrtums.
Technik braucht Richtung, nicht nur Reichweite.
Skalieren lässt sich alles – auch das Falsche.