Digital ist nicht gleich intelligent
Betrachtungen zur digitalen Vernunft – Beitrag 2

Warum Technologie kein Ersatz für Urteil ist
Es gehört zu den stillen Missverständnissen der Gegenwart, dass Maschinen „denken“. Wer algorithmische Verarbeitung mit Intelligenz verwechselt, überträgt menschliche Kategorien auf technische Systeme – und verliert dabei beides aus dem Blick: die Grenzen der Technik und die Tiefe des Verstehens.
Digitale Systeme erkennen Muster, aber keine Bedeutung. Sie liefern Wahrscheinlichkeiten, aber kein Urteil. Was wie Einsicht erscheint, ist berechnete Korrelation. Was wie Verstehen wirkt, ist statistisches Spiegelbild historischer Daten. Maschinen lernen nicht – sie reagieren.
Der Begriff der Intelligenz wird dabei systematisch ausgehöhlt. Er wandert von Reflexion zu Reaktion, von Urteil zu Output. Das verführt: Wenn Systeme schneller, konsistenter und mit weniger Fehlern antworten als Menschen, erscheint Urteil entbehrlich. Aber genau das Gegenteil ist der Fall.
Intelligenz ist nicht die Summe von Informationen, sondern ihre Gewichtung. Sie fragt nach Relevanz, Kontext, Ziel. Urteilen heißt: zwischen Optionen unterscheiden, Widersprüche erkennen, Bedeutung zuschreiben. Kein Modell tut das – auch wenn es so wirkt.
Gerade in Zeiten automatisierter Vorschläge, Sprachmodelle und „smarter“ Systeme braucht es eine klare Unterscheidung: zwischen funktionaler Reaktion und verantwortlicher Entscheidung. Wer sich auf das Urteil der Technik verlässt, verliert die Fähigkeit zur eigenen.
Digitale Systeme sind Werkzeuge. Sie sind schnell, präzise, verfügbar. Aber sie sind nicht weise. Und nicht verantwortlich.
Bilanz:
Digital ist nicht gleich intelligent.
Technologie erkennt Muster – aber kein Maß.
Urteilen bleibt Aufgabe des Menschen.