Daten- ist Eigentumsschutz
Betrachtungen zur digitalen Vernunft – Beitrag 4

Was Europa von sich selbst vergessen hat
Datenschutz gilt vielen als bürokratische Zumutung – als europäischer Reflex aus einer anderen Zeit. Doch in Wahrheit ist er ein moderner Begriff von Eigentum: nicht am physischen Gut, sondern an sich selbst. Wer ihn schleift, gibt nicht nur Kontrolle über seine Daten auf, sondern über das eigene Bild, den eigenen Kontext, die eigene Person.
Was in Europa als Datenschutz bezeichnet wird, ist in seiner Tiefe ein Konzept von Selbstverfügung. Es schützt nicht nur vor Missbrauch, sondern vor Entgrenzung. Es sichert nicht nur die eigenen Rechte, sondern begrenzt den Zugriff. Es ist kein Innovationshemmnis – sondern ein kultureller Gegenentwurf zum Prinzip der totalen Verwertung.
In vielen digitalen Geschäftsmodellen sind Daten kein Nebenprodukt, sondern Rohstoff. Ihre Sammlung, Kombination und Auswertung schaffen neue Machtverhältnisse – oft unsichtbar, oft irreversibel. Wer personenbezogene Daten erfasst, bewertet und verwendet, greift in Freiheitsräume ein. Selbst wenn der Eingriff technisch anonym erscheint, bleibt er strukturell persönlich.
Die amerikanische Logik spricht von Privacy – dem Schutz vor Eingriffen. Die europäische Logik geht weiter: Sie spricht von Datensouveränität – also Verfügung. Es geht nicht nur darum, nicht überwacht zu werden. Es geht darum, nicht verfügbar zu sein, wenn man es nicht will.
Die Reduktion des Datenschutzes auf Einwilligungsbanner und Cookie-Hinweise ist Symptom dieser Missdeutung. In Wahrheit steht er für eine Idee, die mit digitaler Vernunft beginnt: Die Freiheit, sich nicht auszuwerten zu lassen.
Bilanz:
Datenschutz ist Eigentumsschutz.
Er schützt nicht vor Technik, sondern vor Verwertung.
Was Europa hier verteidigt, ist mehr als eine Regel – es ist ein Begriff von Würde.