Die Miquel’sche Steuerreform
Beginn der fiskalisch gestützten Reproduktionsumkehr

Abstract
The 1891 Prussian tax reform, known as the Miquel Reform, introduced a progressive income tax and, in the same legislative session, exempted low-income earners with children from taxation. This marked a structural shift in demographic policy: for the first time, state fiscal mechanisms supported reproduction independently of economic self-sufficiency. Historically, reproductive success had been tied to individual performance and economic capacity. The reform effectively decoupled reproduction from personal responsibility, initiating a long-term change in population structure.
Simultaneously, birth limitation began in higher social strata, motivated by concerns over status maintenance in increasingly dense societies. Over time, this led to a socially asymmetric fertility pattern: lower-performing groups reproduced at higher rates, while better-educated and economically stronger classes limited family size. This inversion laid the foundation for what Francis Galton predicted as a dysgenic trend—a decline in average cognitive ability due to inverse selection.
From the mid-20th century onward, large-scale immigration from lower-education regions intensified existing demographic imbalances. In combination, these trends raise critical questions about the sustainability of democratic institutions, which depend not only on legal frameworks but also on a stable cognitive and cultural foundation.
The 1891 reform thus represents not merely a fiscal innovation, but the onset of a structurally new, state-supported reproductive regime whose long-term consequences are still unfolding today.
Aufhebung der Reproduktionsselektion
1. Einleitung
Bereits Aristoteles erkannte in seiner Analyse der griechischen Polis, dass zwischen der politischen Verfasstheit eines Gemeinwesens, seiner Größe sowie der sozialen Struktur ein funktionaler Zusammenhang besteht¹. Die Verteilung von Reichtum, Macht und sozialer Rolle ist – historisch wie gegenwärtig – ein wesentlicher Bestimmungsfaktor staatlicher Stabilität und politischer Ordnung. In dieser Perspektive lohnt ein genauerer Blick auf den demografischen Wandel im Kontext staatlicher Eingriffe, insbesondere auf die Miquel’sche Steuerreform von 1891.
2. Historischer Kontext der Reform von 1891
Im Zuge wachsender sozialer Spannungen wurde im Preußischen Abgeordnetenhaus im Jahr 1891 eine umfassende Steuerreform verabschiedet. Sie beinhaltete die Einführung einer progressiven Einkommensteuer sowie – im selben parlamentarischen Rahmen – ein Gesetz zur steuerlichen Entlastung kinderreicher, einkommensschwacher Haushalte². Die zentrale Neuerung lag nicht nur in der fiskalischen Neuordnung, sondern auch in der impliziten Anerkennung einer staatlichen Mitverantwortung für die Reproduktionskosten bestimmter Bevölkerungsgruppen.
3. Soziale Selektion und ihr Wandel
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Reproduktion weitgehend an ökonomische Eigenverantwortung gekoppelt. Die Fähigkeit zur Versorgung von Nachkommen stellte eine faktische Zugangsvoraussetzung zur Familiengründung dar. Die Reform von 1891 durchbrach dieses Selektionsprinzip zugunsten eines steuerlich gestützten Reproduktionsanreizes für ökonomisch weniger leistungsfähige Haushalte.
4. Geburtenverhalten und soziale Asymmetrie
Parallel dazu setzte in den oberen sozialen Schichten eine freiwillige Begrenzung der Kinderzahl ein – motiviert durch Statussicherung und Aufstiegsängste in zunehmend verdichteten Gesellschaftsstrukturen³. Dieses Verhalten übertrug sich nach der Jahrhundertwende auch auf die Mittelschicht. In der Folge entstand eine reproduktive Asymmetrie: Höhere Geburtenraten in unterstützten, bildungsschwächeren Gruppen gegenüber sinkenden Raten in leistungsstärkeren Milieus.
5. Langfristige kognitive Implikationen
Bereits Francis Galton prognostizierte um 1900, dass sich eine anhaltende inverse Reproduktion negativ auf das durchschnittliche Intelligenzniveau auswirken könne⁴. Diese sogenannte „dysgenische Tendenz“ wird in der modernen Intelligenzforschung teils durch empirische Befunde gestützt⁵. Sie verweist auf langfristige Auswirkungen fiskalischer Familienpolitik auf die kognitive Zusammensetzung der Bevölkerung.
6. Migration als Verstärkungsfaktor
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkt verstärkend die Einwanderung aus Ländern mit niedrigeren Bildungsniveaus. In Verbindung mit strukturellen Integrationsdefiziten verstärken sich dadurch bestehende soziale und kognitive Disparitäten, insbesondere in Ballungsräumen mit angespannten sozialen Infrastrukturen.
7. Demokratische Voraussetzungen und institutionelle Stabilität
Demokratische Systeme benötigen nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch stabile kulturelle und kognitive Fundamente: Bildung, Selbstverantwortung und soziale Kooperation. Werden diese durch anhaltende reproduktive Verschiebungen und demografische Umwälzungen unterminiert, gerät die Tragfähigkeit institutioneller Ordnung mittelfristig unter Druck.
8. Schlussbemerkung
Die Miquel’sche Reform von 1891 markiert daher nicht nur einen steuerpolitischen, sondern auch einen demografischen Einschnitt. Sie leitete eine fiskalisch gestützte Reproduktionsumkehr ein, deren langfristige Folgen sich in der sozialen und intellektuellen Struktur moderner Gesellschaften bis heute zeigen.
Fußnoten
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Aristoteles: Politik, Buch IV–VI. Vgl. insbesondere: „Die beste Verfassung hängt von der Zusammensetzung der Bevölkerung ab.“
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Vgl. Krabbe, Wolfgang: Die Miquel’sche Steuerreform, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1977/2, S. 87–112.
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Siehe hierzu: Teitelbaum, Michael S.: Relevance of Demographic Transition Theory, in: Population and Development Review, Vol. 38, 2012.
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Galton, Francis: Hereditary Talent and Character, in: Macmillan’s Magazine, 1865.
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Lynn, Richard / Vanhanen, Tatu: IQ and the Wealth of Nations, Westport 2002.
Quellenverzeichnis (Auswahl)
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Aristoteles: Politik, Hrsg. v. Franz F. Schwarz, Stuttgart 1990.
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Galton, Francis: Essays in Eugenics, London 1909.
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Krabbe, Wolfgang: Die Steuerpolitik der deutschen Reichsgründungszeit, Berlin 1983.
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Lynn, Richard; Vanhanen, Tatu: IQ and the Wealth of Nations, Westport 2002.
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Teitelbaum, Michael S.: The Fear of Population Decline, San Diego 1985.
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Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: 1849–1914, München 1995.