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Nietzsche 4.0 – oder: Wie man mit dem Hammer philosophiert


Nietzsche 4.0

Oder wie man mit dem Hammer philosophiert


Bronzestatue: Arbeiter mit Löwe, Victoria Memorial, London


Abstract

This essay investigates the shifting contours of political and ideological power in the early 21st century, drawing on Nietzsche’s concept of value critique as a tool for diagnosing contemporary crises. Against the backdrop of events such as the Nord Stream sabotage, digital platform centralization, and pandemic-induced governance expansions, the text explores how state sovereignty, corporate influence, and technological authority increasingly converge to reshape global order. Figures like Elon Musk and Donald Trump exemplify the rise of a new elite, where informational, economic, and symbolic power transcend traditional political leadership. The emerging paradigm signals a return—not to the liberal internationalism of the postwar era, but to a neo-realist configuration governed by strategic dependency, narrative control, and selective sovereignty. At the heart of this transformation lies a Nietzschean imperative: to distinguish between decaying idols and enduring truths. As Europe stands at a crossroads between autonomy and alignment, the question becomes not only what replaces the old order, but who defines the reality to come.


Das Momentum

Es gibt Momente, in denen der Philosoph den Elfenbeinturm verlässt. Zeiten, in denen Begriffe nicht länger abstrakt bleiben dürfen. Friedrich Nietzsche verstand diese Notwendigkeit. Mit dem Hammer prüfte er die Götzen seiner Epoche - all das, was bis dahin als unumstößliche Wahrheit galt - und fand sie hohl:

„Götzen-Dämmerung – auf deutsch: Es geht zu Ende mit der alten Wahrheit …“

Gut vier Generationen später mögen sich die damaligen Leitbilder geändert haben; doch wie belastbar sind die Prinzipien einer freien Gesellschaft in einer Welt, die sich gerade in einer technischen Revolution neu erfindet, während die alte geopolitische Ordnung ins Wanken gerät?

Götzen-Dämmerung oder die neue Realität

Der Diskursraum? 6.200 Journalisten weltweit, 707 nichtstaatliche Nachrichtensender, 279 „zivilgesellschaftliche“ Organisationen im Mediensektor. Durchströmt, umgeformt mit nur einigen Milliarden US-Dollar – verteilt über USAID, diverse Stiftungen und Kanäle. Analog im Rahmen der EU, analog in Deutschland.

Zunächst kleine Stupser, subtile Stöße, gezielte Impulse, die das Denken in eine bestimmte Richtung lenken sollten. Soft power, re-education, social engineering, nudging, framing, predictive programming, prebunking. Feministische Familien-, Sozial-, Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik. Neulich 551 Fragen von CDU/ CSU zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen.

Dann das Virus aus Wuhan. Es folgte die Corona-Erzählung – und mit ihr ein Netzwerk der Einflussnahme. Maskenpflicht für Grundschulkinder. Sunzis Strategem: Bestrafe zwei, erziehe hundert. Ablesbar aus den RKI-Protokollen. Erneute Gängelung. Gassenlauf.

Und die Plattformen? Twitter, Facebook – einst Foren der Debatte, heute Apparate der Propagandamatrix. Die Twitter-Files enthüllen: Konto-Sperrungen, Shadow Banning, Zensur ist kein Nebeneffekt, sondern Prinzip. Züchtigung als Methode. Mark Zuckerbergs Beichte? Ein Akteur unter vielen. NGOs, Big Pharma, Big Tech, Deep State, Behörden, Geheimdienste, Überwachung – ein Konsortium, oft flankiert von China.

Schließlich der Ukraine-Krieg. Die Sabotage von Nord Stream 1 und 2 - Katalysator der europäischen Deindustrialisierung. Sehr harte Schläge, Explosionen, die Deutschlands energetische Abhängigkeit neu ordneten. Wer war's? Nicht die Russen, sagt Donald Trump. Cui bono? 

Götzen-Dämmerung oder die neueste Realität

JD Vance in München. Ein amerikanischer Vizepräsident, der nicht nur auf Diplomatie setzt, sondern es mit dem Brecheisen versucht. Europa, so ruft er, sei selbst schuld an seiner Schwäche. Selbstverschuldete Unmündigkeit, Selbstblockade, Selbstverleugnung. Die Kritik erinnert an Nietzsche: „Europa hat sich selbst zum kranken Mann gemacht.“ In der Diagnose steckt Wahrheit, doch welche Therapie wird verordnet? Die Stärkung des Hegemons? Die Stärkung des Souveräns? Die Ablehnung der Dekadenz der westlichen Linken? Der Auftritt von JD Vance hatte seine Vorgeschichte (s.o.). Das Ansetzen des Brecheisens, der Ruf nach dem Hammer erinnert an Nietzsches Wille zur Macht, doch er birgt eine Prüfung: Wer die Werte des Abendlandes retten will, muss fragen, wessen Abendland er verteidigt.

Der Herren eigner Geist

Elon Musk: Unternehmer, Visionär, Autokrat. - Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln. - Musk verspricht Meinungsfreiheit und reguliert sie nach Priorität. Er propagiert Disruption, doch wem nützt sie? Sein Widerstand gegen Zensur bleibt wie jede Wahrnehmung selektiv; „freie Rede“ ist eine Ware, die nach Marktlogik verwaltet wird. Hier zeigt sich der neue Typus des Hegemons: Nicht mehr der Philosophenkönig Platons, sondern der Tech-Tycoon, der Informationsflüsse lenkt und über Narrative entscheidet. Der Mann, der Kriege führt und sie beenden kann, indem er die Satelliten-Kommunikation ein- oder abschaltet. Sein Starlink ein Bumerang-Strategem. Popkulturell tritt uns Captain America mit seinem Hammer entgegen. Archetypisch Thor, Sohn des Göttervaters. Nietzsche hätte in Musk keinen Dionysos, sondern den neuen Priester erkannt, der mit der Maske (sic!) des Antimoralisten operiert. Machiavelli hätte in ihm den „Fürst des digitalen Zeitalters“ begrüßt. Ernst Jünger hätte in ihm den „Arbeiter“ gesehen, einen Wiedergänger der Titanen, der mit seinem Akteur-KI-Netzwerk die bürgerliche Gesellschaft in eine neue Epoche überführt, die durch den „totalen Arbeitscharakter“ determiniert sein wird. 

Die Rückkehr der alten Weltordnung

Noch radikaler als der neuen Herren eigner Geist ist das, was sie vorgeben zu bekämpfen: die globale Götze – der sogenannte Deep State – ein transnationaler Machtkomplex, der die souveräne Verfasstheit der Nationen untergräbt und sie in eine Ordnung überführt, in der das Eigene der totalen Steuerung ausgeliefert ist.

Man vergesse nicht: Oligarchen streben, mögen sie sich auch Philanthropen nennen, nicht nach der Befreiung des Menschen; wenn sie sich auch Deal Maker nennen, nicht nach der Befreiung der Märkte; wenn sie sich auch Techno-King und Futurist nennen, nicht nach der Befreiung der Nationen – sondern stets nach deren strategischen Kontrolle. Es geht um Interessen. Es gilt die Negation der Negation: The old world order returns - anew.

The Great Game

Das gleiche Spiel im politischen Lager: Die Trump-Bewegung, gespalten zwischen „America First“ und der technofeudalen Elite. Ein Spannungsfeld, das mehr ist als eine Ambivalenz. Es ist der Konflikt zwischen der alten und der neuen Welt, leitbildhaft ausgetragen auf amerikanischen Boden. Anderenorts ein Stellvertreterkampf, der Nationen spaltet, Grenzen verschiebt und supranationale Strukturen erschüttert. Ein Antagonismus: Mensch gegen Megamaschine, Nationalstaat gegen Plattformökonomie, konservative Identitätspolitik gegen wirtschaftlichen Expansionismus. Jede Woche ein neuer Eklat im „Weißen Haus“. Jede Woche eine neue Enthüllung. Wer glaubt, es ginge hier um einfache Loyalitäten, verkennt die Dynamik: Der Hammer Nietzsches würde die Absichten beider Seiten offenbaren. Die neuen Götzen tragen nicht nur den Namen „Globalismus“ oder „Wokeness“, sondern auch „Populismus“ und „Disruption“. 

Götzen-Dämmerung oder die allerneueste Realität 

Donald Trump, zweite Präsidentschaft: America First. America Only. Der Zoll-Hammer. Die alte und die neue Welt. Globale Schlagzeilen. Strafzölle von 10 % auf alle Importe. 54 % auf chinesische Waren. 20 % auf Importe aus der Europäischen Union. 24 % auf japanische Produkte. 26 % auf Waren aus Indien. Strategisches Ziel: Heimische Industrie schützen, Arbeitsplätze sichern, Produktionsstandort stärken. Rückholung der industriellen Wertschöpfung in die USA.

Dazu Deregulierung. Steuersenkungen für Bürger und Unternehmen. Bürokratieabbau. Spielraum für Innovationen und Investitionen. Wirtschaftswachstum durch Anreize.

Dazu Energiepolitik aus einem Guss: Drill, baby, drill. Öl und Gas aus amerikanischem Boden. Kernkraft. Wasserkraft, Solarenergie. Technologiefreiheit. Energieunabhängigkeit.

Im Übrigen Konservatismus. Zentrale Themen: Verteidigung traditioneller Werte. Familie, Freiheit, Gesetz und Ordnung, Glaube. Berufung wertkonservativer Richter. Bewahrung der Verfassung. Kampf gegen Fake News und Medienmanipulation. Förderung des Patriotismus, Schutz der nationalen Identität.

Parallel: Massive Aufrüstung, Politik der Abschreckung, Containment. Grenzsicherung. Stop der illegalen Migration. Abschiebungen von Kriminellen. Einordnung der Drogen-Kartelle als Terrororganisationen. Vorrang der inneren Sicherheit. Anerkennung klarer Machtverhältnisse durch die inneren und äußeren Gegner. 

Long-term goals. Bewusste Inkaufnahme kurzfristiger Turbulenzen. Call and put options – full throttle. America is back.

Europa am Kreuzweg

Amerika mahnt Europa, sich der Realität zu stellen. Doch welche Realität ist das? Ist es eine Welt, in der man sich abschotten muss, um behütet zu sein? Oder die einer neuen Ordnung, in der Souveränität anders zu denken ist? Europa steht am Kreuzweg zwischen der Forderung nach mehr Autonomie und der Notwendigkeit, sich zu reintegrieren. Hierin liegt die eigentliche politische Herausforderung: Souverän ist der Bürger, das Volk, das jeweilige anthropogene Netzwerk, das - wahlweise lokal, regional, national und global - sich selbst begreift. Sowohl die deutsche als auch die europäische „Brandmauer“ sind kein Selbstzweck, sondern Ausdruck eines ungelösten Identitätsproblems.

Wäre „ein feste Burg“ ein gutes Ziel? Die Globalisten haben ihre Antwort bereits gegeben: eine Weltordnung ohne nationale Eigenständigkeit, ohne Volkssouveränität. Nietzsche hätte diese Ordnung als die „letzte Menschheit“ verspottet – jene, die an ihrem Zuviel oder Zuwenig an Kontrolle zugrunde geht.

Ein Andres

Nietzsche philosophierte mit dem Hammer – nicht, um zu zerstören, sondern um zu prüfen. Eine schöpferische Zerstörung, die ewige Wiederkehr des Gleichen.

Die Welt der Postmoderne kennt die Extreme: Abriss und Tyrannis. Auferstanden aus Ruinen. Der wahre Akt des Philosophierens mit dem Hammer liegt in der Unterscheidung: Welche Werte sind hohl, welche tragen noch?

Götzen-Dämmerung, 1. Aufzug: Biden? Merkel? von der Leyen? Scholz? Juristisch noch nicht erledigt. Die Pest geht um in Theben.

Götzen-Dämmerung, 2. Aufzug: Weder Trump, noch Vance, noch Musk verkörpern den neuen Zarathustra. Doch geht es effektiv Schlag auf Schlag: Die alten Gewissheiten wanken. Wer diese ersetzen will, sollte erkennen, ob er dabei ist, neue Götzen aufzurichten oder aber bereit ist, die Wahrheit in den Trümmern zu suchen.

Götzen-Dämmerung, 3. Aufzug: Die Ideen des Merz – Pinocchio-Syndrom? Oder Stockholm-Syndrom der Parteibasis? Es heißt mit der SchuKo nicht mehr „April, April“, sondern: Merz, Merz. Vermisst werden Helmut Kohl, Roman Herzog und Richard von Weizsäcker. Franz Josef Strauß und Hans-Dietrich Genscher. Gerhard Schröder, Helmut Schmidt, Herbert Wehner und Egon Bahr.

These: Wer AfD wählt, will eigentlich zurück zu „Birne und Bimbes“. Wer BSW wählt, träumt insgeheim von mehr „Genschman“. Und wer „Team Silberlocke“ ist und links wählt, will, dass seine Lebensleistung zählt - nur 1,7 Prozent Ostdeutsche in gesamtdeutschen Führungspositionen.

Frage: Ist das größte Glück der größten Zahl noch Grundlage der deutschen Gesetzgebung?

Antwort: Der „tiefe Staat“ ist in Deutschland ein grüner, Kernstück: Germanwatch. In Brüssel das LIFE-Programm. Global: ESG. Klimaneutralität als Staatsziel. Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. Der große Sprung nach vorn – diesmal aus Berlin. 5000 Milliarden Euro bis 2045, sagt die Deutsche Akademie für Technikwisenschaften. Die größte schuldenfinanzierte Abgreife der deutschen Geschichte? Wohlstand für alle? Keine Experimente? Oder: Die Ausmerzung der industriellen Basis? Das Ende des deutschen Mittelstands? Made in Germany – aber ohne Made in Germany? Deutschland ein Land der „Dritten Welt“, ein Siedlungsgebiet mit dem Siegel „nachhaltig“? Die Deutschen erwischte es auf dem allerfalschesten Fuß.

Götzen-Dämmerung, 4. Aufzug: Kampf um die Fleischtöpfe - Kampf um das Eigene - Molekularer Bürgerkrieg? Massenarmut? Staatsbankrott? - Gott ist tot! - Entsetzen. Fassungslosigkeit. Katharsis. 

Götzen-Dämmerung, 5. Aufzug: Wer wird künftig Amboss, wer will Hammer sein? Globaler Paradigmenwechsel, Ende der regelbasierten Ordnung, Großmachtpolitik. Aufrüstung. Gewalt. Womöglich Krieg. Gleichgewicht der Kräfte. Austarieren der Interessen. Politik als Kunst des Möglichen. Ein andres, ein neues kophtisches Lied.